Abnehmen mit the Work – Teil 1
Vor zwei Wochen habe ich gemerkt, dass sich Frust einstellte, weil die meisten meiner Kleidungsstücke zu eng sind. In der rechten Seite meines Kleiderschrankes finde ich zwischen all den wunderschönen Kleidungsstücken nur noch zwei Hosen, die gut sitzen. Der Herbst steht vor der Türe, und ich kann noch maximal 2 Wochen auf meine weiten Sommerkleider ausweichen. Neue Hosen meiner Lieblingsmarke kaufen kann ich nicht, denn ich trage bereits die größtmögliche Größe.
Welche Möglichkeiten habe ich – momentan?
Muss ich jetzt losziehen und mich durch mir unbekannte Geschäfte und Kleidermarken quälen, um meine Garderobe auszutauschen? Das hört sich für mich sehr stressig an. Die naheliegendste Alternative – eine Diät zu starten – versetzt mich allerdings auch unter Druck. Nein, ich habe keine Lust auf Verzicht, Hunger und Diätpläne. Hier nahm ich schon den ersten irrwitzigen Glaubenssatz wahr. „Ich will weiteressen worauf ich Lust habe UND dabei abnehmen“. Tolle Idee, lieber Verstand. Dieses Stress bringende Wunschdenken kenne ich gut aus anderen Situationen. „Es ist Winter, und ich will verzweifelt, dass es warm ist“, „ich will weiteressen und morgen bitte trotzdem abgeommen haben“. Ich würde mal sagen mit diesem Denken manövriere ich mich direkt in eine frustrierende Sackgasse. Aber ich kann solange ich all das was ich gerade über mich, über meine Figur, meinen Stoffwechsel, über Diäten und alternative Kleidungsstücke denke, keine Entscheidung treffen, die sich für mich wirklich gut anfühlt.
Meine stressigen Gedanken über alle dünnen Menschen.
Und hier beginnt das Experiment. Ich befand mich mit Ina Rudolph auf einem Seminar im Schwarzwald und nutzte die freie Zeit, mit der Vorbereitung meines nächsten Seminars „Abnehmen mit the Work“. Ich erstellte Listen, die helfen, stressige Glaubenssätze aufzuspüren. Bei der Liste „was ich über dünne Menschen denke“ verspürte ich Lust, all meine aktuellen Gedanken zu dem Thema zu notieren. Ich war erstaunt, dass momentan so viel Stress in mir schlummerte. Wenn ich die Liste nun abtippe, muss ich wirklich lachen. Ist es möglich, dass ich das vor ein paar Tagen tatsächlich all das glaubte? Da steht also tatsächlich: „Dünne….
- Können alles essen
- Haben Glück mit ihrer Figur
- Sind beweglicher
- Packen ihren Koffer stressfrei
- Finden immer Kleidung
- Wenn sie eine Jeans brauchen, ziehen sie einfach schnell los und kaufen eine
- Sind glücklich
- Ziehen sich immer unbeschwert an
- Haben Spaß am Essen
Die Liste zeigte ganz klar, dass ich momentan Menschen mit einer tollen Figur beneide und mich in meiner Opferrolle als Dicke suhle. Hier mussten dringend einige Works her.
Ich saß vor meiner Liste und fragte mich wann haben sich diese Gedanken in den letzten Tagen denn eingeschlichen, in welcher Situtation habe ich dies geglaubt? Nach kurzem Überlegen erhielt ich die Antwort. Es war gestern im Speiseraum, als ich mit einer Teilnehmerin beim Abendessen saß, und sie während des zweiten Schlemmertellers bemerkte, dass sie von dieser vegetarischen Kost des Seminarhauses abnimmt. Die Hose sitzt trotz des vielen Essens schon ganz locker und der Po sei auch schon kleiner geworden. Wir haben uns dort am Tisch wirklich krummgelacht, denn bei mir scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Diese herrlichen Leckereien und der regelmäßige Nachschlag landen bei mir direkt auf den Hüften.
Nachdem ich die konkrete Situation gefunden hatte ließ ich die Liste „was ich da beim Essen über all die Dünnen dachte, die schlemmen können was das Herz begehrt“. Ich fragte mich „Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das alles wahr ist?“ Nein das kann ich nicht, aber es fühlt sich momentan wirklich danach an.
Ich bin auf die Suche nach echten Beispiele für das Gegenteil gegangen
Als ich von einer Teilnehmerin gebeten wurde, ihr auf eine Frage eine ehrliche Antwort zu geben, kam mir eine coole Idee. Ich nehme ausnahmsweise mal die Abkürzung und worke nicht die ganzen Glaubenssätze ab und finde für mich Beispiele für das Gegenteil, die auch wahr sein könnten. Nein, ich nutze diesen geschützen Rahmen innerhalb diese Seminarwoche und befrage die Teilnehmer, ob ich mit dem was ich über sie denke, richtig liege. Ich zückte mein Notizbuch mit meinen Stress-Listen und fragte sie, ob ich ihr vorlesen dürfte was ich über sie – als Dünne – so alles denke und ob sie mir ehrlich sagen könnte, ob das auf sie zutrifft.
Sie hatte total Lust auf diese kleine Fragerunde, obwohl sie sich wunderte, warum ich sie zur Kategorie – Dünne – zähle. Hier stutze ich schon das erste Mal. Diese wunderschöne, schlanke Frau sieht sich also nicht so dünn wie ich sie sehe. SPANNEND.
Auf meine erste Frage erhielt ich ein „ja“. Sie kann alles essen, denn sie hat keine Allergien. Ich sagte ihr amüsiert, dass ich mit meiner Frage eigentlich wissen wollte, ob sie zunimmt, wenn sie isst was sie will. Ich erfuhr, dass sie schon immer alles essen konnte, und dass sie diesen Glaubenssatz „aufpassen zu müssen, was sie isst“ noch nie in sich trug.
Sie fand, dass sie in der Tat Glück mit ihrer Figur hat und sehr dankbar sei, die schlanken Gene von ihrem Opa vererbt bekommen zu haben.
Beweglicher allerdings sei sie auf keinen Fall. Sie hat es schon mit Yoga versucht, dies aber wegen ihrer Unbeweglichkeit wieder aufgegeben. AHA, EIN BEISPIEL FÜR DIE UMKEHRUNG. Ich bin also beweglicher als sie. Jetzt nach der gefundenen Umkehrung, überlegte ich mir, wie ich überhaupt auf so einen komischen Gedanken kommen konnte. Denn wenn ich wirklich eines bin und imme war, dann beweglich.
Bei „ob sie stressfrei den Koffer packen kann“ hat sie gelacht und mich gefragt, ob ich tatsächlich so lustige Sache über Dünne denke und was das Packen mit der Figur zu tun hätte. Ja, sie packt stressfrei, allerdings nicht weil sie eine tolle Figur hat, sondern weil sie viel verreist und beim Packen allerdings lediglich ohne groß zu überlegen, einfach immer alles zusammensucht, was bequem ist. AHA, DAS HEISST: AUCH DÜNNE HABEN UNBEQUEME KLEIDUNGSSTÜCKE. Sie hasst z.B. Jeans, weil die so in den Bauch drücken beim Sitzen. Für die Seminarwoche hat sie – WIE ICH – nur Leggins, Schlabberröcke und Kleider zum Drüberziehen eingepackt.
Als ich sie erstaunt fragte, ob sie mir tatsächlich weismachen möchte, dass auch sie Probleme hat, eine passende Jeans zu finden erwiderte sie lachend. Es sei für sie einfacher ein Auto zu kaufen als eine Jeans zu finden.
WHAT????? Ich fasse es nicht. Kann das wirkich wahr sein? Seit Jahrzehnten quält mich die Überzeugung, zu dick für praktische Freizeitkleidung zu sein. In meiner Welt wählen alle, wenn es richtig bequem sein muß, die Jeans – außer ich natürlich. Als sich die Nebensitzerin (mit Idealmaßen) einschaltete, wackelte meine Überzeugung, dass ich ein armes, zu bemitleidendes Würstchen bin, gewaltig. Sie hätte aus selbigem Grund seit 10 Jahren keine Jeans mehr gekauft und trägt deshalb ihre 3 passenden Lieblingsmodelle bis sie sich ganz auflösen, deshalb weisen diese auch schon überalle Flickstellen auf. Ich erwachte während meiner Befragung Stück für Stück in der Realität. Ich stehe nicht alleine da mit dem vermeintlichen Problem. Diese zwei Frauen und ihre so hart errungenen Jeanshosen sind Balsam für meine Seele (und meine Glaubenssätze).
Bei den nächsten Fragen – ob sie glücklich ist und sich unbeschwert anzieht – erhielt ich jeweils ein „nein“. Wieder eine Antwort, die mich wunderte. Sie erzählte, dass sie jeden Morgen gestresst vor dem Kleiderschrank stand und irgenwann des Morgenfriedens Willen entschied, sich ihre Garderobe schon am Vorabend zurechtzulegen. Seit sie das macht, geht es ihr viel besser damit. Wieder brachte mich diese ehrliche Antwort ein bisschen mehr zur Ruhe, und ich genoss die Verbindung, die zwischen uns entstand. Fühlte ich, durch das was ich von ihr dachte, zu Anfang noch getrennt, spüre ich jetzt durch dieses offene Gespräch wie sich bei imr mehr und mehr Nähe und Zugehörigkeit einstellt. Außerdem wäre das Rauslegen der Kleidung auch eine tolle Idee für mich.
Die letzte Frage beantwortete sie mit einem ganz breiten Lachen „ja, ich esse für mein Leben gerne“. Huch, ich auch! Wieso habe ich das überhaupt als stressigen Punkt aufgeschrieben? Ha ein Verstand mir da vorgegaukelt, ich würde nicht gerne essen? Das ist also eine wirklich lustige Erkenntnis.
Ich befragte in Laufe der Woche 9 dünne Frauen und einen Mann. Dies hat allen so viel Spaß gemacht, und es entstanden so lustige und offene Gespräche. Ich weiß nun so viel mehr über die Welt der anderen und bin fassungslos, dass nichts von dem was ich glaubte, noch Bestand hat. Nichts!
- Sie können nicht alles essen, weil sie zunehmen, weil sie allergisch auf einige Inhaltsstoffe sind, weil sie sich nach dem Verzehr bestimmter Lebensmitteln schlecht fühlen.
- Ich fand sogar zwei Beweise dafür, dass nicht alle finden, dass sie Glück mit ihrer Figur haben. Zwei fanden sich zu dünn und kämpfen damit, nicht noch mehr an Gewicht zu verlieren. Eine erneute Abnahme von 3 kg waren bei einer Befragten aktuell sogar der Auslöser für Enttäuschung und Frust.
- Die Beweglichkeit hat definitiv gar nichts mit der Figur zu tun. Hier hatten wir ein 50/50-Ergebnis.
- Tatsächlich fand ich nur 2 „Gern-Packer“. Spannend fand ich, dass allerdings jeder – figurunabhängig – seine ganz eigenen Beweggründe hat warum er ungern packt.
- Tatsächlich gibt es nur eine Person unter den Befragten, die loszieht und ganz entspannt mit passenden Kleidungsstücken – sogar Jeans – nach Hause kommt. Sie hat eine bevorzugte Marke, die in einer gewissen Größe und Länge immer passt. Alle empfinden Shopping als mühsam und anstrengend. Ein verblüffendes Ergebnis.
- Unbeschwert anziehen kann sich nur der befragte Mann. Das ist so lustig! Die Mädels der Umfrage haben also alle das gleiche Thema bei der Kleiderauswahl.
- Und Spaß am Essen hatten tatsächlich alle, inklusive mir.
Was mit mir während dieser Umkehrsuche passierte, hat mich wirklich überrascht. Ich krabbelte von Antwort zu Antwort immer mehr aus dieser anfänglichen Opferrolle raus. Ich fühlte mich mit allen so verbunden durch unsere gemeinsamen Probleme, Eigenarten und Herausforderungen. Es ist so lustig und befreiend. Herzlichen Dank an alle, die an meiner Umfrage teilnahmen. Dank Euch und Euren ehrliche Antworten binde ich mich nun in der wurnderbaren Realität.
Ich habe etwas zugenommen, meine Kleidung passt nicht, und neue Kleidung zu finden ist schwieriger als ein Auto zu kaufen. Ach du liebes Bisschen. Auf keinen Fall werde ich mich diesem Stress aussetzen und wochenlang nach neuen Hosen suchen. Niemals. Da gehe ich lieber den viel einfacheren Weg, und werde abnehmen.
Ich fühle wirklich, wie ich mir mit dieser Entscheidung, einen großen Gefallen tu. Ich darf mich und meine Nerven schonen, walken gehen und passe dafür gerne meine Ernährung für eine Weile an. Ein herrlicher Plan.
Herzlichst
Corinna
Kennen auch Sie diese Gedanke, dass nur Sie alleine vor einem Problem stehen, weil Sie zu dick sind? Vielleicht habe ich Sie ja inspiriert und Sie möchten auch auf die Suche für die Umkehrungen für das Gegenteil gehen. Ich freue mich über jede Rückmeldung. Viel Spaß damit.
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